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13. Blindenschacholympiade 2008

vom 18. bis 29. Oktober 2008 in Heraklion auf Kreta

Infos, Termine, Ergebnisse, Stand und Partien sowie
von Anton Lindenmair Berichte: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9


Russland ist überlegener Olympiasieger

Am 16. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Augsburg an TeleSchach:

Am kommenden Sonntag beginnt auf Kreta - genauer gesagt in Heraklion - die XIII. Blindenschacholympiade. Das wichtigste Ereignis im Spielbetrieb der IBCA (International Braille Chess Association) sieht voraussichtlich 34 Nationen am Start.

Als klarer Favorit auf die Goldmedaille geht nicht der Titelverteidiger Polen, sondern Russland ins Rennen. Alles andere als ein russischer Sieg käme meiner Meinung nach einer dicken Sensation gleich. Dahinter könnte es aber zu einem dichten Gedränge um die weiteren Medaillen kommen. Neben den bereits erwähnten Polen sind hier vor allem die Ukraine und wohl auch Serbien zu nennen. Aber auch Spanien und England - und natürlich auch Deutschland könnte eine Überraschung gelingen, wenn alles optimal läuft.

Das deutsche Team bricht größtenteils bereits morgen nach Griechenland auf und verschafft sich so einen Tag, um sich vor Ort einzugewöhnen. Der DBSB wird in folgender Aufstellung spielen:

  1. FM Oliver Müller (Bremen,     Elo 2292)
  2. Dieter Bischoff  (Heidelberg, Elo 2144)
  3. Frank Schellmann (Halle,      Elo 2144)
  4. Jürgen Pohlers   (Leipzig,    Elo 2112)
  5. Anton Lindenmair (Augsburg,   Elo 2121)

Die Veranstalter haben eine Website eingerichtet, auf der die Ergebnisse aktuell veröffentlicht werden sollen. Die Liste der teilnehmenden Länder incl. der gemeldeten Spieler ist schon zu finden.
Die Adresse lautet: http://www.sokoridallou.gr/olympiad08/index.html
Je nach den Gegebenheiten vor Ort planen wir aber auch, eigene Berichte nach Hause zu schicken.

Terminplan
18. Oktober: Ankunft der Delegationen
19. Oktober: Meeting - 09:30 Uhr
19. Oktober: Runde 1 - 15:00 Uhr
20. Oktober: Runde 2 - 15:00 Uhr
21. Oktober: Runde 3 - 15:00 Uhr
22. Oktober: Runde 4 - 15:00 Uhr
23. Oktober: Runde 5 - 15:00 Uhr
24. Oktober: spielfrei (I.B.C.A. Kongress und Ausflug) 
25. Oktober: Runde 6 - 15:00 Uhr
26. Oktober: Runde 7 - 15:00 Uhr
27. Oktober: Runde 8 - 15:00 Uhr
28. Oktober: Runde 9 - 11:00 Uhr
28. Oktober: Siegerehrung – 20:00 Uhr
29. Oktober: Heimreise der Delegationen 

Ergebnisse der deutschen Mannschaft
Runde 1
Brasilien              1,0-3,0 Deutschland
  Martins, Androildo    0 - 1  FM Mueller, Oliver 
  Vilas, Boas C. T.     0 - 1  Bischoff, Dieter  
  Vaz, Jose             0 - 1  Schellmann, Frank  
  Hengles, Roberto C.   1 - 0  Pohlers, Juergen  

Runde 2
  Deutschland          3,5-0,5 Schweden
  FM Mueller, Oliver    1 - 0  FM Magnusson, Jorgen 
  Bischoff, Dieter      remis  Berggren, Marcus 
  Schellmann, Frank     1 - 0  Berggren, Patrik  
  Lindenmair, Anton     1 - 0  Thomsson, Hakan  

Runde 3
  Kasachstan           1,5-2,5 Deutschland
  Kabyzhanov, Bulat     remis  FM Mueller, Oliver  
  Alimkhanov, Abd.      remis  Bischoff, Dieter  
  Bibikov, Yuriy        remis  Schellmann, Frank  
  Jumabekov, Maxut      0 - 1  Lindenmair, Anton  

Runde 4
  Russland             3,0-1,0 Deutschland             
  IN Meshkov, Yuri      0 - 1  FM Mueller, Oliver  
  IM Berlinsky,Vladimir 1 - 0  Schellmann, Frank  
  IM Krylov, Sergey     1 - 0  Pohlers, Juergen  
  Smirnov, Sergei       1 - 0  Lindenmair, Anton  

Runde 5
  Deutschland          2,0-2,0 Spanien
  FM Mueller, Oliver    remis  Palacios Perez Manuel 
  Bischoff, Dieter      remis  Aguilar Sevilla Diego 
  Schellmann, Frank     1 - 0  Draghici Flutur Gravril
  Pohlers, Juergen      0 - 1  Vela Ignacio Jos M. 

Runde 6
  Deutschland          2,5-1,5 England
  FM Mueller, Oliver    1 : 0  IM Crouch, Colin S  
  Bischoff, Dieter      remis  Ross, Chris N  
  Schellmann, Frank     remis  Lilley, Graham  
  Lindenmair, Anton     remis  Armstrong, William G  

Runde 7
  Polen                2,0-2,0 Deutschland
  IM Dukaczewski, Piotr 0 - 1  FM Mueller, Oliver 
  Gunajew, Rafal        remis  Bischoff, Dieter 
  FM Suder, Ryszard     remis  Schellmann, Frank 
  Chojnowski, Marcin    1 - 0  Pohlers, Juergen 

Runde 8
  Deutschland          1,5-2,5 Ukraine 
  FM Mueller, Oliver    remis  Grigorchuk, Sergey  
  Bischoff, Dieter      0 - 1  FM Wassin, Sergej  
  Schellmann, Frank     0 - 1  WFM Zsiltzova-Lisenko 
  Lindenmair, Anton     1 - 0  Ivchenko, Anatoly  

Runde 9
  Litauen              1,0-3,0 Deutschland
  Grybas, Gintaras      0 - 1  FM Mueller, Oliver  
  Novikovas, An.        0 - 1  Bischoff, Dieter  
  Rutkauskas, Ged.      remis  Schellmann, Frank  
  Kuvsinov, Anatolij    remis  Lindenmair, Anton  

Endstand nach der 9. Runde
Rang Mannschaft     MK + = -  MP  Wtg

  1 Russland         9 8 1 0  17  274  
  2 Ukraine          9 5 3 1  13  238½ 
  3 Spanien          9 5 3 1  13  194½ 
  4 Polen            9 4 4 1  12  223½ 
  5 Deutschland      9 5 2 2  12  199½ 
  6 England          9 4 3 2  11  190  
  7 Serbien          9 5 1 3  11  189  
  8 Kasachstan       9 5 1 3  11  186  
  9 Kroatien         9 5 1 3  11  163  
 10 Tschechien       9 4 3 2  11  145  
 11 Roumänien        9 4 2 3  10  179½ 
 12 Mazedonien       9 4 2 3  10  168  
 13 Slovenien        9 4 2 3  10  155  
 14 Litauen          9 4 2 3  10  139  
 15 Venezuela        9 4 2 3  10  134  
 16 Moldavien        9 4 1 4   9  141½ 
 17 Montenegro       9 3 3 3   9  137  
 18 Ungarn           9 4 1 4   9  130  
 19 Indien           9 4 1 4   9  127½ 
 20 Niederland       9 3 3 3   9  127½ 
 21 Slovakei         9 4 1 4   9  121½ 
 22 Italien          9 4 1 4   9  105½ 
 23 Schweden         9 4 0 5   8  161  
 24 Belgien          9 3 2 4   8   96  
 25 Finnland         9 3 1 5   7  121½ 
 26 Griechenland 1   9 3 1 5   7   90  
 27 Türkei           9 2 3 4   7   72½ 
 28 Norwegen         9 3 1 5   7   72  
 29 Swchweiz         9 3 1 5   7   52  
 30 Brasilien        9 2 2 5   6  101½ 
 31 Süd Afrika       9 1 3 5   5   66  
 32 Griechenland 2   9 2 1 6   5   56  
 33 Dänemark         9 1 2 6   4   63  
 34 Griechenland 3   9 0 0 9   0   21½ 

Ausgewählte Partien

Es werden Partien im PGN-Format mit ECO-Schlüssel bereitgestellt.

Berichte von Anton Lindenmair

Am 20. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Heraklion an TeleSchach:

DBSB-Team erfolgreich in die XIII. Blindenschacholympiade gestartet

Seit gestern läuft sie nun die XIII. Blindenschacholympiade auf Kreta. Zum Auftakt hatte es unsere Auswahl mit Brasilien zu tun und setzte sich ohne Probleme mit 3:1 durch. Bereits nach knapp zwei Stunden hatten an den beiden Spitzenbrettern Oliver Müller und Dieter Bischoff den vollen Punkt eingefahren und Frank Schellmann besiegelte den Gesamtsieg schließlich mit seinem Gewinn am 3. Brett. Nur bei Jürgen Pohlers lief es nicht so glatt. Sein Gegner zauberte eine nette kleine Kombination aus dem Hut, nachdem Jürgen bereits kurz nach der Eröffnung nicht die stärksten Züge gefunden hatte. Eigentlich wäre noch nicht allzu viel passiert gewesen, wenn Jürgen die Nerven behalten hätte – hat er aber leider nicht – und so ging der Punkt an Brasilien.

Dazu sollte man vielleicht noch erwähnen, dass die Brasilianer eine etwas eigenwillige Aufstellung gewählt hatten. Sie begannen mit ihrem schwächsten Spieler an Brett 1 und steigerten sich bis zum Stärksten an Brett 4. Roberto Hengles spielt recht stark und fast wäre auch ich schon einmal sein Opfer geworden.

Insgesamt sind 34 Mannschaften am Start. Das bedeutet eine Rekordbeteiligung. Von den ursprünglich gemeldeten Teams reiste Kolumbien und Usbekistan kurzfristig doch nicht an. Dies glichen die Griechen mit ihrer 2. und 3. Auswahl aus.

In Runde 1 konnten sich die Favoriten durchweg durchsetzen, wenngleich das Ergebnis 4:0 nicht all zu häufig vorkam. Da nach Matchpunkten gewertet wird, ist das aber auch nicht so wichtig.

Heute bekommen wir es mit den starken Schweden zu tun, die vom FM Jörgen Magnusson angeführt werden. Bei uns pausiert Pohlers und dafür darf der Berichterstatter ran. Die Aufgabe wird sicher nicht einfach, dennoch wäre alles andere als ein Sieg doch eine Enttäuschung für uns. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn man sich daran erinnert, dass das Sechs-Länder-Turnier im vergangenen Jahr nur denkbar knapp vor Schweden gewonnen werden konnte.

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Am 21. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair an TeleSchach:

2. Erfolg für DBSB-Auswahl bei der Blindenschacholympiade

Die 2. Hürde ist genommen! Ein klares 3,5:0,5 gegen Schweden wurde am gestrigen Montag erkämpft. Dabei war die Sache aber alles andere als „klar“. Aber an diesem Tag stand wohl Fortuna (oder Caissa) mit uns im Bund.

Zunächst endete die Partie am 2. Brett zwischen Dieter Bischoff und Markus Berggren mit einem eher langweiligen Remis nach 3 Stunden. Zu diesem Zeitpunkt sah es aber an Brett 4 (meine Partie) bereits mehr als bedenklich aus. Wie mir unser Trainer Detlef Neukirch nach der Partie gestand, hätte er für diese Partie „keinen Pfifferling mehr gegeben“. Ja, und da kann ich ihm wirklich nicht widersprechen. Ich musste in dieser Phase schon sehr darauf achten, nicht matt zu gehen. Auch Frank an Brett 3 gegen Patrik Berggren stand eher schlecht. Nur am Spitzenbrett hatte Oliver wohl „immer eine Hand mehr drin“, wie Detlef meinte.

Glücklicherweise schluckte mein Gegner Haakan Thomsson den Köder, den ich ihm anbot, in ein Turmendspiel mit einem Mehrbauern abzuwickeln. Das bot meiner Meinung nach gute Remischancen für mich. Nach gut 4½ Stunden hatte dann Oliver seinen FM-Kollegen Jörgen Magnusson bezwungen und ich war mittlerweile alle Sorgen los und konnte bereits Gewinnversuche machen. Nach gut 5 Stunden war dies dann von Erfolg gekrönt, und der Gesamtsieg stand fest. Als ich den Spielsaal verließ, hieß es noch, Frank würde evtl. verlieren. Um so größer die Freude und Überraschung, als auch er schließlich mit dem vollen Punkt die Arena verließ.

Alles in allem also ein glücklicher Sieg, der auf jeden Fall zu hoch ausgefallen ist. Aber danach fragt hinterher bekanntlich niemand mehr.

Heute haben wir es mit Kasachstan zu tun, einem Gegner, den wir nur schwer einschätzen können. Am Spitzenbrett haben die Kasachen einen neuen Mann, der ein völlig unbeschriebenes Blatt für uns ist. Auch die anderen Gegner sind nur schwer zu taxieren. Warten wir einfach ab, was heute Nachmittag geschehen wird. Die Mannschaft spielt in derselben Aufstellung wie am Vortag.

Die Runde 2 brachte größtenteis die erwarteten Ergebnisse. Erwähnenswert ist aber, dass die Polen bei ihrem 2:2 gegen Slowenien einen Punkt abgeben mussten. Der polnische Spitzenspieler IM Piotr Dukaczewski musste sich dabei Franc Mlacnik geschlagen geben.

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Am 23. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Heraklion an TeleSchach:

DBSB in den Medaillenrängen!

Auch die 3. Runde überstand unser Team bei der Blindenschacholympiade in Heraklion schadlos. Gegen Kasachstan wurde es aber das erwartete enge Match.

Zunächst gab es an Brett 3 ein Remis durch Frank Schellmann. Mit den schwarzen Steinen spielend stand er in einer Caro-Kann-Eröffnung zwar ein wenig besser, zum Sieg war dies aber nicht ausreichend. Als ein Endspiel mit ungleichen Läufern auf dem Brett war, einigte man sich auf die Punkteteilung.

Bei mir an Brett 4 kam es zum Vier-Bauern-Angriff in der Ben-Oni-Eröffnung. Mein Gegner nahm viel Zeit und musste die Qualität gegen einen Bauern (und die Aussicht auf einen weiteren Bauern) geben. Dennoch befand sich die Stellung wohl im dynamischen Gleichgewicht, war aber sehr kompliziert und nur schwer zu berechnen. Mein Gegner machte aber einen schwachen Zug und beim Versuch dies auszubügeln, stellte er eine Figur ein. Wer aber gedacht hätte, dass die Partie mit nun einem ganzen Turm weniger beendet sein würde, der hat sich getäuscht. Unverdrossen spielte mein Gegner noch 20 Züge weiter und gab erst einen Zug vor dem Matt auf. Ja, auch das gibt es bei einer Olympiade!

Wechselvoll verliefen die Partien an den beiden Spitzenbrettern. Zunächst hatten Oliver Müller und Dieter Bischoff wohl leichte Vorteile, aber plötzlich standen beide schlecht. Dieter fand sich auf einmal in einem Damenendspiel mit zwei Minusbauern wieder. Nachdem ihm der Rückgewinn eines Bauern gelungen war und Dauerschachwendungen drohten, reklamierte der Gegner kurz vor Ablauf der sechs Stunden das Remis. Auch Oliver war durch einige ungenaue Züge in Bedrängnis geraten, konnte sich aber letztendlich – ebenfalls mit einem Bauern weniger – das Remis sichern.

Wieder also ein etwas glücklicher Sieg. Über ein 2:2 hätten wir uns wohl auch nicht beschwert.

Nach 3 Runden haben nur noch drei Teams eine weiße Weste. Getrennt durch die Brettpunkte bedeutet dies im Moment Platz 1 für Russland, Platz 2 für Deutschland und Platz 3 für Großbritannien. Ein Zwischenstand, den man sich eigentlich eingerahmt aufhängen sollte!

Am heutigen Mittwoch kommt es aber richtig dick. Wir spielen gegen den haushohen Favoriten Russland. Die Russen sind mit sage und schreibe vier IM am Start. Die durchschnittliche Elo der Russen liegt bei über 2350. Die drei amtierenden bzw. Exweltmeister spielen auf den Brettern 2 – 4. Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

Bei uns pausiert heute Dieter Bischoff. Für ihn kehrt Jürgen Pohlers in die Mannschaft zurück.

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Am 23. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Heraklion an TeleSchach:

Knapp vorbei ist auch daneben

Leider wurde es nichts mit einer Überraschung am gestrigen Mittwoch. Gegen den hohen Favoriten Russland mussten wir uns am Ende mit 1:3 geschlagen geben.

Russland - Deutschland
 Foto Ausrichter Oliver Müller (Foto rechts vorn) war dabei wieder einmal unser „bestes Pferd im Stall“. Gegen IM Yuri Meshkov (Elo 2400) konnte er, mit den schwarzen Steinen spielend, unseren einzigen Punkt einfahren. In einer Englischen Partie „war erst nicht viel los“, wie mir Detlef Neukirch hinterher erzählte. „Plötzlich nach einigen Tauschaktionen im Zentrum stand Oliver auf einmal gut“. Diesen Vorteil ließ er sich dann auch nicht mehr nehmen und führte die Partie erfolgreich zu Ende.

An Brett 2 erreichte Frank Schellmann eine ausgezeichnete Position gegen IM Vladimir Berlinsky (Elo 2325). Er lehnte zu Recht ein Remisangebot seines Gegners ab und konnte „einzügig gewinnen“ – so Detlef. Frank sprach hinterher von „2 verschossenen Elfmetern“. Am Ende war aber leider alle Mühe vergebens, und Frank stand mit leeren Händen da – schade!

Jürgen Pohlers bekam es an Brett 3 mit IM Sergey Krylov (Elo 2388) zu tun. In einem Sizilianer mit 2. c3 wählte Jürgen relativ früh die Abwicklung in ein für ihn etwas schlechteres Endspiel. Das kam Krylov natürlich entgegen und er ließ Jürgen keine Chance mehr.

Ein Wechselbad der Gefühle gab es am 4. Brett für mich. Nach einer völlig misshandelten Eröffnung hatte ich während der gesamten Partie einen Bauern weniger gegen Sergei Smirnov (Elo 2301). Im Endspiel jedoch gelang mir ein überraschender taktischer Schlag, und ich konnte den Bauern zurück erobern. Als das Remis bereits zum Greifen nah war, machte ich den „einzig möglichen“ Fehler und brachte mich dadurch doch noch um den halben Punkt.

1:3 gegen Russland, ein Ergebnis, das man so evtl. auch erwarten konnte und das normalerweise mit einem Schulterzucken abgetan werden könnte. Aufgrund der vergebenen Möglichkeiten war es diesmal aber trotzdem etwas ärgerlich. Anscheinend war unser Vorrat an Glück in den ersten Runden doch schon zu sehr reduziert worden.

An der Spitze gelang Großbritannien ein 2,5:1,5 Sieg gegen die Ukraine. Russland und die Briten liegen allein verlustpunktfrei mit 8:0 Punkten an der Spitze und treffen am heutigen Donnerstag aufeinander. Dahinter lauert Polen mit 7:1 Punkten auf Platz 3. Deutschland, Serbien und Spanien belegen die Plätze 4 – 6 mit je 6:2 Matchpunkten.

Heute treffen wir auf unseren „Angstgegner“ Spanien. In den letzten beiden Begegnungen (lassen wir das 2:2 außer Acht, das unter besonderen Umständen vor 3 Jahren beim Weltcup zustande gekommen ist), gab es saftige Schlappen. Bei der Olympiade 2000 in Polen mussten wir über ein 0:4 quittieren und auch 2001 beim Weltcup in Spanien war es mit 0,5:3,5 nicht viel besser. Besser machen soll es heute unsere Stammbesetzung, der Berichterstatter pausiert.

Und auch das gab es gestern: In der Begegnung Litauen – Kasachstan hatte der Kasache am Spitzenbrett einen klaren Vorteil herausgespielt. In der Folge übersah er aber eine einzügige Mattdrohung seines Gegners, der sich nicht lang bitten ließ. Völlig begeistert von seinem unerwarteten Glück klatschte sich der Glückspilz selbst laut Beifall.

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Am 25. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Heraklion an TeleSchach:

24.10.2008 - Halbzeit und Ruhetag

Man glaubt es kaum, aber die halbe Strecke bei der XIII. Blindenschacholympiade auf Kreta ist bereits geschafft und am heutigen Freitag ist Ruhetag. Dieser wird traditionell dafür genutzt, den IBCA-Kongress abzuhalten und den Spielern und Begleitern einen Ausflug anzubieten. Deshalb wird dieser Bericht auch erst am Freitag Nachmittag getippt.

Am gestrigen Donnerstag gelang es uns, die schwarze Serie gegen Spanien wenigstens teilweise zu stoppen. Am Ende stand ein 2:2, mit dem wir wohl oder übel zufrieden sein müssen. Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob es wieder einmal eine Klatsche für uns geben würde. "Ich habe mir schon überlegt, wo wir überhaupt einen Punkt machen sollen", meinte Trainer Detlef Neukirch zur zwischenzeitlich drohenden Katastrophe.

Ganz so schlimm kam es aber ja dann glücklicherweise doch nicht. An Brett 1 konnte Oliver Müller trotz Minusbauer in einem Turmendspiel mit ungleichen Läufern ebenso den Remishafen erreichen, wie an Brett 2 Dieter Bischoff. Auch ihm war bereits in der Eröffnung ein Bauer abhanden gekommen.

Da wollte offenbar Jürgen Pohlers an Brett 4 nicht nachstehen und beschenkte seinen Gegner in einer sizilianischen Sveschnikov-Variante nach etwa 15 Zügen ebenfalls mit einem Bauern. Hier blieb allerdings das Happy End aus.

So musste an Brett 3 Frank Schellmann die Kastanien aus dem Feuer holen. An seinem Brett war eine Stellung mit ungleichem Material entstanden (Qualität gegen zwei Bauern - aus Franks Sicht). Zunächst sah es auch hier so aus, als ob eher der Gegner besser stehen würde. Frank überstand aber alle Schwierigkeiten und konnte die Partie auf Gewinn spielen, was ihm schließlich auch gelang.

An der Spitze mussten sich die Briten den Russen mit 1:3 geschlagen geben. "Die sind einfach zu stark" meinte ein sichtlich frustrierter Chris Ross hinterher. Russland führt nun mit 10 Punkten vor Polen mit 9 Punkten. Diese beiden Teams bestreiten am morgigen Samstag bereits so etwas wie ein vorgezogenes Endspiel, wobei die Vorteile sicher auf der russischen Seite zu finden sein dürften. Dahinter liegt Großbritannien mit 8 Punkten auf Rang 3. Neben einigen anderen Mannschaften liegen wir im Moment mit 7 Punkten auf den Plätzen, die das Verfolgerfeld bilden.

Die morgige 6. Runde könnte für uns richtungweisen sein. Wir spielen gegen die starken Briten. Im Falle eines Sieges könnten wir bis zum Schluss um eine Medaille spielen. Andererseits droht bei einer Niederlage das Abgleiten ins Mittelfeld.

Und auch das gibt es: Schon seit einigen Tagen haben wir einen zwar einsamen aber treuen Fan. Ein etwa 12-jähriger Junge, der wohl hier Urlaub mit seinen Eltern macht, beobachtet aufmerksam und ausdauernd die Partien der deutschen Spieler. Noch hat er sich nicht "mit Grausen" abgewandt.

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Am 26. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Heraklion an TeleSchach:

DBSB-Team weiterhin vorne dabei

Auch nach der 6. Runde der XIII. Blindenschacholympiade befindet sich unsere Auswahl weiter in der Erfolgsspur. Gegen Großbritannien konnten wir ein knappes aber verdientes 2,5:1,5 feiern. Dabei ließ sich die Sache zunächst gar nicht so gut an. Wir hatten geplant, die Männer von der Insel hauptsächlich an Brett 3 und 4 zu attackieren, da wir auf Brett 1 und 2 von der Papierform her eher mit Nachteilen rechnen mussten.

Ich selbst konnte mit den schwarzen Steinen zwar schnell Ausgleich erreichen und glaubte kurzzeitig, auch etwas aktiver zu stehen. Dies erwies sich jedoch als Trugschluss. Beim Bemühen Vorteil zu erreichen, geriet ich sogar in Gefahr, in die Defensive gedrängt zu werden, und so musste ich in eine völlig ausgeglichene Remisstellung abwickeln. Als mein Gegner darauf hin Remis bot, kam von Trainer Detlef Neukirch, der sich auf meiner rechten Seite postiert hatte, die Anweisung weiterzuspielen. Nach meinem wohl etwas ratlosen Schulterzucken kam wenige Sekunden später von Detlef, der mittlerweile auf meiner linken Seite stand, die Anweisung, ich solle das Remis annehmen.

Bereits kurz zuvor war die Partie an Brett 3 zwischen Frank Schellmann und Graham Lilley ebenfalls mit einer Punkteteilung zu Ende gegangen. Hier hatte zunächst Frank Remis geboten, was von Lilley abgelehnt wurde. 3 oder 4 Züge später bot der Engländer seinerseits das Remis an.

Dennoch etwas erleichtert verließ ich den Turniersaal als ich von Detlef hörte, dass Dieter Bischoff gegen Chris Ross auf Gewinn stünde (Qualität mehr) und dass auch Oliver Müller gegen IM Colin Crouch (Elo 2359) gut stünde. Trotzdem mussten wir noch lange warten, bis der Sieg feststand. Zwar war es Dieter letztendlich doch nicht gelungen, den vollen Punkt zu ergattern, dafür holte aber Oliver mit seinem Sieg den "Big Point".

An der Spitze gewannen die Russen das "vorgezogene Endspiel" gegen Titelverteidiger Polen knapp mit 2,5:1,5 und sollten nun wohl souverän die Goldmedaille anvisieren. Hinter Russland (12 Punkte) gibt es ein dichtes Gedränge um die Medaillen. Die Ukraine, Deutschland, Polen und Spanien liegen im Moment bei je 9 Punkten. Die hochgesteckten Ziele der Briten dürften dagegen zumindest vorläufig einen Dämpfer erhalten haben. Auf deren Website bzw. in ihrer Mailingliste waren markige Sprüche zu lesen. Vom Olympiasieg war da die Rede und dass "wer die Ukraine schlägt wohl auch die Deutschen besiegen würde".

Heute wartet mit Polen ein weiterer schwerer Brocken auf uns. Beflügelt durch den guten Turnierverlauf bisher sollten wir aber auch da unsere Chance bekommen. Für den Berichterstatter kehrt heute Jürgen Pohlers ins Team zurück. Die weiteren Paarungen an der Spitze lauten: Russland - Ukraine und Großbritannien - Spanien.

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Am 27. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Heraklion an TeleSchach:

Medaillen noch in Reichweite

Auch die im Boxen so gefürchtete ominöse "7. Runde" konnte am gestrigen Sonntag unser Team nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Gegen den Olympiasieger 2004 Polen konnten wir ein beachtliches 2:2 verbuchen.

Zunächst begann der Tag mit einiger Verwirrung, da sehr spät bekannt wurde, dass die Polen ihre Nummer 3 pausieren ließen. Eine Vorbereitung auf den falschen Gegner bei Frank Schellmann und Jürgen Pohlers war die Folge. Ob die Polen zu spät gemeldet oder der Veranstalter zu spät publiziert hatte, werden wir wohl nie erfahren.

Als man sich an Brett 2 bereits nach wenigen Zügen die Hand reichte, wollte sich zunächst niemand darauf festlegen, ob das nun eher für uns oder die Polen gut war. Dieter Bischoff führte zwar die weißen Steine, sein Gegner Rafal Gunajew hatte aber mit 2233 die höhere Elo. Das war aber auch an den anderen Brettern der Fall.

Die Zuversicht stieg, als Oliver Müller am Spitzenbrett gegen IM Piotr Dukaczewski (Elo 2339) den vollen Punkt einfuhr. "Duka war in dieser Partie chancenlos!" kommentierte Trainer Detlef Neukirch. Bei Oliver stehen nun 6,0 Punkte aus 7 Partien zu Buche und er hat bereits seinen 3. IM in diesem Turnier geschlagen - eine wirklich feine Leistung!

Danach begann noch das Zittern. Jürgen Pohlers hatte ein verlorenes Endspiel auf dem Brett und musste auch bald gegen seinen Gegner Marcin Chojnowski (Elo 2189) resignieren.

An Brett 3 versuchte Ryszard Suder (Elo 2174) unseren Frank zu "quälen". Frank hielt dem Druck aber stand und sicherte sich mit einer "großen kämpferischen Leistung" - so Detlef - den halben Punkt und der Mannschaft das 2:2.

In der Spitzenbegegnung hatte die Ukraine das Glück, zum richtigen Zeitpunkt gegen Russland spielen zu dürfen. Bereits nach kurzer Zeit wurde an allen vier Brettern Frieden geschlossen - zum Nutzen beider sicherlich. Auch die Verfolgerduelle zwischen Spanien und Großbritannien sowie zwischen Serbien und Kroatien endeten mit einer Punkteteilung, aber erst nach erbittertem Kampf.

Die Russen sind nun nur noch theoretisch von der Spitze zu verdrängen. Mit 13 Punkten haben sie zwei Runden vor Schluss nach wie vor 3 Zähler Vorsprung auf ihre Verfolger. Auf den Rängen 2 - 5 folgen mit je 10 Punkten die Ukraine, Polen, Deutschland und Spanien.

Wenn man so weit oben mitspielt, bleibt einem nichts erspart. Am heutigen Montag treffen wir auf die "ausgeruhte" Ukraine. Natürlich wieder ein ganz harter Brocken, aber wir haben ja gezeigt, dass wir vor niemandem Angst haben müssen. Jürgen Pohlers pausiert heute wieder und dafür muss/darf ich wieder ran.

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Am 28. Oktober 2008 schrieb Anton Lindenmair, Heraklion an TeleSchach:

28.10.2008 - Ende gut, alles gut

8. Runde am 27.10.2008 - Deutschland - Ukraine 1,5-2,5
9. Runde am 28.10.2008 - Litauen - Deutschland 1,0-3,0
(Abschlusstabelle demnächst)

Die XIII. Blindenschacholympiade von Heraklion ist Geschichte! Während diese Zeilen geschrieben werden, führen die Spieler im Spielsaal wohl gerade ihre allerletzten Züge aus.

Doch blicken wir zunächst zurück auf die gestrige 8. Runde. Unsere Medaillenträume sind leider geplatzt. Die Ukraine entpuppte sich als der erwartet starke Gegner. Am Spitzenbrett wurde relativ bald Frieden zwischen Oliver Müller und Grigorchuk geschlossen. Am 2. Brett kam Dieter während der gesamten Partie nicht aus dem eigenen Strafraum heraus und musste sich schließlich Wassin geschlagen geben.

Dramatik am 3. Brett: Frank Schellmann hatte die amtierende Weltmeisterin Luba Zsiltzova völlig überspielt (Fritz bewertete die Stellung mit mehr als +10). Aber leider saß nicht Fritz sondern Frank am Brett. Irgendwie gelang es Luba - wieder einmal - zu entkommen. Frank hatte bereits mehr als eine Stunde mehr Zeit verbraucht als seine Gegnerin. Deshalb übersah er ganz zum Schluss auch noch die forcierte Abwicklung ins Remis und musste die Waffen strecken. Mir blieb da leider auch nicht viel mehr übrig, als das Ergebnis durch meinen Sieg gegen Ivchenko etwas freundlicher zu gestallten. Die Medaille war also leider weg, aber die Chance, die Ukraine zu besiegen war greifbar nah.

Am heutigen Dienstag (zu nachtschlafender Zeit um 09:00 Uhr) konnten wir das Turnier für uns durch einen klaren 3:1 Sieg gegen Litauen zu einem versöhnlichen Ende bringen. Für die Punkte sorgten Oliver Müller und Dieter Bischoff an den vorderen Brettern, während sich Frank Schellmann und ich mit einer Punkteteilung begnügen mussten. Mit dem 5. Platz sind wir absolut zufrieden, auch wenn unsere Träume nicht Wirklichkeit geworden sind. Im Vergleich zum 12. Platz vor vier Jahren konnten wir uns erheblich steigern. Hinzu kommt noch, dass damals die Gegner größtenteils aus dem Mittelfeld kamen, während wir diesmal alle Teams an der Spitze zum Gegner hatten.

Das Highlight zum Schluss: Mit Oliver Müller hatten wir diesmal ein echtes "Spitzenbrett". Oliver erreichte am Ende sensationelle 7,5 Punkte aus 9 Partien und erspielte sich dadurch die Goldmedaille an Brett 1. Das ist ein Score, wie es wohl Krylov und Berlinsky in ihren besten Zeiten hatten. Oliver gelangen dabei drei Siege gegen Internationale Meister.

Herzlichen Glückwunsch Oliver!

Hier noch die Resultate der deutschen Spieler im Überblick:

  1. Oliver Müller    7,5/9
  2. Dieter Bischoff  4,5/8
  3. Frank Schellmann 5,0/9
  4. Jürgen Pohlers   0,0/4
  5. Anton Lindenmair 4,0/6

Russland holte sich überlegen den Titel des Olympiasiegers von Polen zurück (der Sieg stand bereits nach 8 Runden fest). Die weiteren Platzierungen siehe Abschlusstabelle.



© 8.96 by Gerhard Hund Update 03.11.2008