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70. Deutsche Einzelmeisterschaft

vom 6. bis 15. November 1998 in Bremen

9 Runden Schweizer System

Terminplan , Berichte und Partien


Berichte von Michael Hase

Auftakt mit kleinen Überraschungen

Ganz stark gegen etwas weniger stark - so lautet das traditionelle Motto der Turniere nach Schweizer System - und dies bestimmte auch die Paarungen der 1. Runde der 70.Deutschen Einzelmeisterschaften.

Daß dabei die Remisquote keine Rekordhöhen erreichen würde, war nicht schwer zu prophezeihen - 25 % sind erfreulich wenig. Die ganz großen Sensationen blieben aus, wenn es auch einige unerwartete Ergebnisse gab: So gab Titelverteidiger Matthias Wahls gegen Frank Zeller ebenso einen halben Punkt ab wie Dr. Robert Hübner gegen die einzige Dame im Feld, die neuerdings für Werder Bremen spielende Ketino Kachiani-Gersinska. Wie bei jeder richtigen Premiere ging auch gestern einiges schief. So fiel die geplante high-tech-Präsentation der Spitzenpaarungen im Zuschauerraum deswegen aus, weil die einzelnen Elemente des Netzwerks sich nicht zu einem solchen vereinigen wollten. Die Tagungen (bei Nacht!) des Mini- Schiedsgerichts Klaus Darga und Claus Dieter Meyer, um den geeigneten Kandidaten für den Schönheitspreis zu ermitteln, scheinen sich schon nach dem ersten Treffen zu analytischen Tiefbohrungen auszuweiten - wie immer man ihre Entscheidung beurteilen mag, sie ist Ergebnis ernsthafter Debatten.

Noch sechs Spieler mit weißer Weste

Sehr zur Freude der über 100 Zuschauer (und des Veranstalters) blieb auch am 2. Spieltag die Remisquote klein - nur fünf der 24 Begegnungen endeten Unentschieden, darunter keine aus der Kategorie Null Bock alias Großmeisterremis. An der Spitze landete Artur Jussupow einen ungefährdeten Sieg gegen seinen einstigen, aus der Aera ante Beckenbauer stammenden Vereinskollegen Stefan Kindermann, während Mitfavorit Rustem Dautov Eric Lobron unterlag, wobei die Uhr letztendlich entschied. Glänzend gestartet sind die beiden Hamburger Karsten Müller und Thies Heinemann. Mit Siegen über die GMs Lutger Keitlinghaus bzw. Rainer Knaak - der Werderaner erlitt seine erste Französischniederlage seit Menschengedenken - stehen beide noch mit weißer Weste da und werden sich morgen ein sicherlich heißes HSK-Duell liefern.

Peter Enders mit Glanzpartie an die Spitze

Zuerst den Schönheitspreis kassiert, dann eine weitere Glanzpartie abgeliefert und alleiniger Spitzenreiter - Peter Enders war der Mann des Tages in der dritten Runde. Damit blieb der Erfurter der letzte der 100%-Mohikaner.

Über 100 Zuschauer wurden Zeuge zahlreicher spannender Duelle, auch wenn es diesmal nicht gerade der Tag der Entscheidungen war - 14 der 24 Partien endeten remis, davon die meisten allerdings unfreiwillig. So lieferten sich im Verfolgerduell die beiden Hamburger Karsten Müller und Thies Heinemann eine Kampfpartie voller Dramatik, bevor sie die Punkte teilten. Auch in der dritten Runde blieben die absoluten Sensationen aus, doch stellen sowohl die Siege von Bangiev gegen Knaak und Glienke gegen Keitlinghaus als auch die Punkteteilung zwischen Kindermann und Jugelt eine Überraschung dar. Keine Überraschung allerdings ist mittlerweile mehr der Gewinner des Schönheitspreises: Peter Enders!

Enders,P (2485) - Lobron,E (2540) [B33]
DEM Bremen (3), 08.11.1998
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Sdb5 d6 7.Lf4 e5 8.Lg5 a6 9.Sa3 b5 10.Lxf6 gxf6 11.Sd5 Lg7 12.Ld3 Se7 13.Sxe7 Dxe7 14.c3 f5 15.Sc2 Lb7 16.exf5 h5 17.a4 b4 18.Sxb4 Dh4 [18...d5 19.a5; 18...Dg5 19.Tg1 (19.Lc4 Dxg2 20.Ld5 e4 21.Tf1) ; 18...e4 19.Lc4 e3 20.0-0] 19.De2 Lxg2 20.Tg1 Dxh2 21.0-0-0 Df4+ [21...h4 22.Dg4 (22.Kb1 h3 23.Le4 Lxe4+ 24.Dxe4 0-0 25.f6) 22...Lh6+ 23.Kb1 h3 24.Le4] 22.Dd2 [22.De3 Lh6 23.Txg2 (23.Kb1) 23...Dh4 (23...Df3) 24.Dxh6 Txh6 25.Tg8+ Kd7 26.Txa8; 22.Kb1 Lf3 23.Dc2 Lxd1 24.Dxd1] 22...Lh6 [22...Df3 23.Kb1] 23.Txg2 Df3 [23...Dh4 24.Dxh6 Txh6 25.Tg8+ Kd7 26.Txa8; 23...Dxd2+ 24.Txd2 h4 (24...Kd7 25.Sd5) 25.Sd5 Lxd2+ 26.Kxd2] 24.Tg5 f6 25.Le2 Db7 [25...Dh3 26.f4 fxg5 27.fxg5 (27.Dxd6) 27...Lf8 28.Dd5] 26.Tg8+ [26.Lxh5+ Kf8 27.Dxd6+ De7] 26...Ke7 [26...Txg8 27.Dxh6; 26...Kf7 27.Lc4+ d5 28.Txh8 Lxd2+ 29.Txd2 dxc4 30.Th7+; 26...Kd7 27.Tg7+ Kc8 28.Dxh6 Txh6 29.Txb7 Kxb7 30.Lf3+] 27.Dxh6 [27.Tg7+! Lxg7 28.Dxd6+ Ke8 29.Sxa6+-] 27...Taxg8 28.Dd2 Td8 29.Lxa6 Dg2 30.Lb5 Kf8 31.Sc6
1 - 0

Kämpferischer Sieger - faule Verfolger

Gegen Artur Jussupow zu gewinnen, ist keinem Großmeister bei der Schacholympiade gelungen. Um so höher ist die Leistung von Peter Enders zu werten, der mit den schwarzen Steinen Deutschlands Nr. 1 nicht nur "einfach" besiegte, sondern dabei auch noch eine solch eindrucksvolle Partie produzierte, daß das sorgfältig arbeitende Preisgericht nicht sehr lange brauchte, um zum dritten Mal Peter Enders zum Sieger dieses besonderen Wettbewerbs zu krönen.

Das lag natürlich auch daran, daß an den ersten zehn Tischen nicht weniger als acht Kurzremisen geschoben wurden. Es kann ja sein, daß mancher keine Lust zum Spielen hat - nur warum meldet man sich dann für eine Deutsche Meisterschaft an, bei der es zudem nicht unerhebliche Beträge zu verdienen gibt?!

Aber wir hoffen darauf, daß gestern nur die ganz normale Halbzeitpause genommen wurde und heute wieder die - erwarteten - Kämpferqualitäten zum Vorschein kommen.

Jussupow,A (2640) - Enders,P (2485) [E41]
DEM Bremen (4), 09.11.1998 [Darga/Meyer]
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 c5 5.Ld3 Sc6 6.Sf3 cxd4 7.exd4 d5 8.0-0 dxc4 9.Lxc4 h6 10.Te1 0-0 11.a3 Lxc3 12.bxc3 b6 13.Dd3 Lb7 14.La2 Dd6 15.Lb1 Tfd8 16.Ta2 Tac8 17.Tae2 Sb8 18.Te3 Sbd7 19.Sh4 Sf8 20.Th3 20...Le4!! 21.Txe4 [21.Db5 a6 22.Db3 Lxb1 23.Dxb1 Sd5 mit klarem schwarzen Vorteil] 21...Sxe4 22.Dxe4 Dxd4! 23.Dxd4 [23.De1 Dd1 24.Kf1 (24.Te3 Txc3) 24...Da4-+] 23...Txd4 24.Lc2 24...Txh4! 25.Txh4 Txc3 26.Le3 Txc2 27.Td4 Ta2 28.h4 Txa3 29.Td8 f6 30.Ta8 Ta5 31.Ld2 Ta1+ 32.Kh2 Kf7 33.Tc8 h5 34.Tc7+ Kg6 35.Lb4 Sh7 36.g3 a5 37.Le7 b5 38.Ta7 a4 39.Ta5 Tb1 40.f3 Tb3 41.Kg2 e5 42.Ta7 f5 43.Ld6 e4 44.fxe4 fxe4 45.Lc5 Td3 46.Tb7 Td5 47.Lb4 Sf6 48.Kf2 Sd7 49.Ke2 Kf5 50.Ta7 g6 51.Ta8 Td3 52.Td8 a3 53.Ta8 Txg3 54.Lxa3 Tg2+ 55.Ke3 Ta2 56.Kd4 e3 57.Kxe3 b4 58.Ta5+ Se5
0 - 1

Peter Enders bleibt vorne

Auch wenn Spitzenreiter Peter Enders aus Erfurt, gestern zum drittenmal für die beste Partie der Runde ausgezeichnet, gegen den Thies Heinemann nicht über ein Remis hinauskam, behielt er doch seinen Vorsprung von einem ganzen Zähler, denn seine unmittelbaren Verfolgern teilten sich ebenfalls die Punkte.

Zu dieser Gruppe hat auch Titelverteidiger Matthias Wahls wieder aufgeschlossen, da er von einer kuriosen Fehleinschätzung seines Gegners Raj Tischbierek profitierte: Im Glauben, einen groben Fehler gemacht zu haben, gab der die Partie auf - wie sich rasch herausstellte, in einer klaren Remisstellung.

Eigentlich sind die Leser des Bulletins gewohnt, an dieser Stelle den Namen Peter Enders als Gewinner des Schönheitspreises zu finden. Doch jede Serie geht einmal zuende - immerhin hat er - zusammen mit Rainer Knaak am ersten Tag - die Maßstäbe so hoch gesetzt, daß diesmal keine Partie für würdig befunden wurde, ausgezeichnet zu werden. Immerhin wurden die Zuschauer heute wieder mit einem vollen Programm ohne Kurzremisen bedacht.

Spitze rückt zusammen - Titelrennen wieder offen

Beinahe hätte Spitzenreiter Peter Enders wieder mit einer Glanzpartie einen Verfolger abgeschüttelt - doch diesmal spielte die Uhr nicht mit: Knapp drei Minuten blieben dem Erfurter für 13 Züge in einer hochkomplizierten Stellung, in der er den König seines Gegners Thomas Luther zu umzingeln drohte. Enders zog die Notbremse und bot Remis an, das Luther, der nur etwas mehr Zeit hatte, sofort akzeptierte. Mit nunmehr 5 Punkten aus sechs Partien bleibt Enders zwear an der Spitze, doch ist ihm Titelverteidiger Matthias Wahls aus Hamburg nach einem Sieg gegen seinen Vereinskollegen Karsten Müller mit nunmher 4,5 Zählern sehr nahe gekommen.

Im Kaisensaal des Congress Centrums sahen die Zuschauer wieder dramatische Auseinandersetzungen. Im Bremer Lokalderby zwischen Ketino Kachiani-Gersinska und dem diesjährigen Meister von Bremen, Gerlef Meins, blieb die gebürtige Georgierin siegreich und hat nunmehr 3 Punkte.

Der ausgesetzte Schönheitspreis der sechsten Runde ging diesmal an Christian Gabriel.

Heinemann,T (2495) - Gabriel,C (2555) [B06]
DEM Bremen (6), 11.11.1998
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Le3 c6 5.Dd2 Sd7 6.f3 b5 7.Sh3 a6 8.a4 b4 9.Sd1 Tb8 10.a5 e5 11.dxe5 Sxe5 12.Sf4 Sf6 13.La7 Ta8 14.Lb6 De7 15.Dxb4 c5 16.Da3 Lh6 17.Sd3 Sed7 18.Le2 Tb8 19.b4 c4 20.S3b2 Sxb6 21.axb6 d5 22.Da4+ Ld7 23.Dxa6 0-0 24.Da5 Sxe4 25.Dxd5 Ld2+ 26.Kf1 Dh4 27.g3 Sxg3+
0 - 1

Spitzenreiter Peter Enders gestürzt

"Ich habe einfach Glück gehabt." Das war der Kommentar von Titelverteidiger Matthias Wahls nach seinem Sieg im Spitzenduell der Deutschen Schachmeisterschaften gegen den bisher führenden Peter Enders. Damit liegt der Hamburger nunmehr auf Platz 1 und hat beste Chancen, 1998 zum drittenmal hintereinander Deutscher Meister zu werden.

Seine Partie mit Enders enthielt alles, was Schachfans begehren: Beide kämpften konsequent um den Sieg, Opfer und Gegenopfer lösten einander ab, bis schließlich selbst die Kommentatoren mit dem ehemaligen Bundestrainer und Großmeister Klaus Darga an der Spitze nicht mehr durchblickten.

Auch an den weiteren Spitzenbrettern gab es keine faulen Kompromisse. So fiel die Entscheidung über den Schönheitspreis der siebten Runde nicht leicht. Die schönste Partie spielte diesmal: Jörg Hickl.

Hickl,J (2540) - Jussupow,A (2640) [A12]
DEM Bremen (7), 12.11.1998
1.c4 c6 2.Sf3 d5 3.e3 Sf6 4.b3 Lg4 5.Lb2 e6 6.Le2 Sbd7 7.Sc3 Ld6 8.Sd4 Lxe2 9.Dxe2 0-0 10.cxd5 exd5 11.Sf5 Lc5 12.Sa4 Lb4 13.Sxg7! b5 14.Sf5 bxa4 15.Dh5! Kh8 16.Dg4 Lxd2+ 17.Kxd2 Tg8 18.Dxa4 Txg2 19.Ke2 Dg8 20.Sg3 Dg6 21.Tac1 Te8 22.Df4 c5 23.Kf1 Txg3 24.Lxf6+ Sxf6 25.hxg3 Se4 26.Th6 Dg7 27.Td1 Te5 28.Kg2 Sg5 29.Tc6 h6 30.Txh6+
1 - 0

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© 1.98 by Gerhard Hund Update 08.02.2001